BITV 2.0: Wie eine Software barrierefrei wird
Welche digitalen Inhalte barrierefrei sein müssen, bestimmt die Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung (BITV 2.0). Öffentliche Verwaltungen von Bund, Ländern und Kommunen sind verpflichtet, die Verordnung umzusetzen. Ab 2025 erweitern sich die Pflichten auch auf weite Bereiche der Privatwirtschaft.
Wen die BITV 2.0 betrifft und welche Anforderungen sie an die Barrierefreiheit von Software setzt, erfahren Sie in diesem Artikel.
Was ist digitale Barrierefreiheit?
Barrierefreiheit bedeutet, die Umwelt so zu gestalten, dass alle Menschen frei von Hindernissen mit ihrer Umgebung interagieren können. Digitale Barrierefreiheit meint entsprechend, IT-Lösungen für alle Menschen zugänglich zu machen.
Dafür muss eine Software zwei Merkmale erfüllen:
- Die Software ist für alle Menschen frei von Hindernissen auffindbar und nutzbar.
- Die Software besitzt technische Eigenschaften, die eine barrierefreie Nutzung gewährleisten.
Wann ist eine Software barrierefrei?
Eine Software ist dann barrierefrei, wenn sie die Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung (BITV 2.0) erfüllt. Dies ist der Fall, wenn sie die Anforderungen der harmonisierten europäischen Norm EN 301 549 umsetzt.
Eine barrierefreie Software erfüllt demnach folgende Anforderungen:
- Wahrnehmbarkeit: Inhalte einer Software sind so aufzubereiten, dass Menschen sie über mindestens zwei Sinneskanäle wahrnehmen können (zum Beispiel Videos mit Texten untertiteln).
- Bedienbarkeit: Die Software ist so zu gestalten, dass Menschen mit Behinderungen mit ihr interagieren können (zum Beispiel verschiedene Navigationswege aufzeigen).
- Verständlichkeit: In der Software enthaltene Texte sind gut lesbar und in einer verständlichen Sprache gehalten (zum Beispiel einfache Sprache verwenden).
- Robustheit: Die Softwareanwendung ist mit anderen Anwendungen kompatibel, die eine barrierefreie Nutzung unterstützen (zum Beispiel kompatibel mit Screenreadern).
Neben der EN 301 549 und der BITV 2.0 folgt eine barrierefreie Software zudem diesen drei Normen:
- DIN EN ISO 9241 (Ergonomie der Mensch-System-Interaktion)
- ISO 14915 (Software-Ergonomie für Multimedia-Benutzungsschnittstellen)
- DIN EN ISO 14289 (Barrierefreiheit von PDFs)
Die Rolle der BITV 2.0 im Rahmen der Barrierefreiheit
Per se regelt das Behindertengleichstellungsgesetz (BGG), wie Inhalte und Erklärungen zur Barrierefreiheit aussehen. Die Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung ergänzt. Sie setzt § 12b des BGGs um, der eine Erklärung zur Barrierefreiheit vorsieht. Kurz gesagt definiert die BITV die technischen Standards, um Kommunikationstechnik und Informationstechnik barrierefrei zu gestalten. Zusätzlich legt sie dazugehörige Fristen fest.
Hintergrund zur Verordnung
Die BITV gibt es bereits seit 2002. Sie wurde vom Bundesamt für Arbeit und Soziales (BMAS) erlassen. Grundlage für die Verordnung sind die Web Content Accessibility Guidelines (WCAG), die Standards für ein barrierefreies Internet setzen. Mit der in 2019 veröffentlichten neuen Version der BITV – BITV 2.0 – erfüllt die Verordnung nun neben den Vorgaben der WCAG auch die EU-Richtlinie 2016/2102 über den barrierefreien Zugang zu den Websites und mobilen Anwendungen öffentlicher Stellen.
Die Verordnungen zur Barrierefreiheit im Überblick und wie sie aufeinander aufbauen:
- Der European Accessibility Act (EAA) legt den rechtlichen Rahmen zur Barrierefreiheit fest.
- Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) wandelt die Vorgaben der EAA in nationales Recht um.
- Die Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) setzen Standards für ein barrierefreies Internet.
- Die Norm EN 301 549 definiert die technischen oder qualitativen Standards für barrierefreie Webinhalte auf Basis der WCAG.
- Die BITV 2.0 ergänzt und konkretisiert die Vorgaben, die barrierefreie Webinhalte erfüllen müssen.
Ziele der BITV 2.0
Oberstes Ziel der BITV 2.0 ist es, gemäß § 1 eine barrierefreie Gestaltung moderner Informations- und Kommunikationstechnik zu gewährleisten – und zwar so, dass die barrierefreie Gestaltung umfassend, grundsätzlich und uneingeschränkt ist.
Unternehmen erreichen dies, wenn ihre Anwendungen und Dienste den harmonisierten Normen vollständig oder in Teilen entsprechen. Für Softwareunternehmen bedeutet das: Sie erfüllen die Ziele der BITV 2.0, wenn ihre Software für Menschen mit Behinderungen nutzbar ist. Dann erfüllt die Software die Grundsätze der Wahrnehmbarkeit, Bedienbarkeit, Verständlichkeit und Robustheit.
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Jetzt lesenAnwendungsbereiche der Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung
Explizit enthält die BITV 2.0 Vorgaben an die Barrierefreiheit für
- Softwareanwendungen,
- Webseiten,
- mobile Anwendungen,
- elektronisch unterstützte Verwaltungsabläufe und
- bestimmte grafische Programmoberflächen.
In den Anwendungsbereich der BITV 2.0 fallen zudem elektronisch unterstützte Verwaltungsabläufe mit und innerhalb der Verwaltung.
Praxisbeispiel: BITV 2.0 im Dokumentenmanagement
Eine barrierefreie Gestaltung im Sinne der BITV 2.0 betrifft auch Softwareanwendungen der elektronischen Aktenführung. Dazu zählen alle Programme, die Dokumente in elektronischer Form nutzbar machen und bereitstellen. Innerhalb eines Dokumentenmanagement-Systems (DMS) müssen nach § 4 unter anderem folgende Funktionen die Anforderungen der BITV 2.0 erfüllen, damit die Software barrierefrei ist:
- Zuweisung und der Transport von Dokumenten an den Bearbeiter*
- Bearbeitung von Dokumenten
- Darstellung von Prozessen, Organigrammen und Verantwortlichkeiten
- Terminplanung
- Protokollierung
Wer muss die BITV 2.0 umsetzen?
Hey Doxi, wer muss die BITV 2.0 umsetzen?
Generell sind alle öffentlichen Stellen in Deutschland verpflichtet, Webseiten und mobile Anwendungen barrierefrei bereitzustellen. Das inkludiert sämtliche staatlich finanzierte Webseiten und Apps. Die gesetzliche Grundlage dafür bildet die Richtlinie EU 2016/2102. Zu den öffentlichen Stellen zählen die des Bundes, der Länder und Kommunen.
In der Privatwirtschaft sind zudem alle Hersteller von Bediensoftware wie
- Computer-Hardware,
- Computer-Betriebssystemen,
- E-Books,
- Fernsehgeräten und
- Terminals (zum Beispiel Bankautomaten)
verpflichtet, diese barrierefrei aufzusetzen.
Welche Änderungen ergeben sich in der Privatwirtschaft?
Ab 2025 erweitert sich der verpflichtende Anwendungsbereich der BITV 2.0 um weitere Unternehmen, die digitale Dienstleistungen anbieten. Dazu zählen Onlineshops und E-Commerce-Apps, die an Endkunden verkaufen. Ebenso betroffen sind Dienstleister, die digitale Prozesse mit Geschäftsrelevanz anbieten. Barrierefrei sollen zukünftig zudem alle Telekommunikationsdienste und Webseiten als auch Apps von Personenbeförderungsdiensten sein.
Zuletzt sind auch Banken- und Versicherungsdienstleister sowie Anbieter von E-Book-Inhalten ab 2025 verpflichtet, ihre Inhalte barrierefrei zu gestalten. Davon ausgenommen sind lediglich Kleinstunternehmen, also Unternehmen, deren Jahresumsatz unter zwei Millionen Euro liegt und die weniger als zehn festangestellte Mitarbeiter beschäftigen.
Überwachung der Barrierefreiheit von Software
Ob Ihre Software den Vorgaben der Barrierefreiheit entspricht, zeigen Prüfverfahren.
Prüfverfahren in Behörden
Solche Prüfungen führen die Überwachungsstellen des Landes durch. Welche Behörden die Überwachungsstelle prüft, ergibt sich aus dem Ergebnis eines verwendeten Algorithmus, der den Vorgaben der EU-Richtlinie 2016/2102 entspricht.
Ist Ihre Behörde von einer Prüfung betroffen, sind das die nächsten Schritte:
- Die Überwachungsstelle kontaktiert Ihre Behörde mit der Bitte, Kontaktdaten bereitzustellen.
- Die Überwachungsstelle führt sodann vereinfachte oder eingehende Tests durch.
- Die Überwachungsstelle setzt nach Abschluss der Prüfung ein Gutachten auf.
- Die Überwachungsstelle übersendet das Gutachten zuletzt an die Kontaktperson Ihrer Behörde.
Prüfverfahren in Unternehmen
Alternativ prüfen Unternehmen im Rahmen des BITV-Tests, ob Ihre Software barrierefrei ist. Der BITV-Test ist standardisiert. Qualifizierte Agenturen des BITV-Prüfverbandes führen diesen durch.
Der jeweilige Prüfverband bewertet Ihre Software zum Beispiel auf Basis dieser vier Bewertungskriterien auf Konformität:
- Blockade: Eine Blockade bedeutet, dass Ihre Software für Menschen mit einer bestimmten Behinderung nicht nutzbar ist.
- Barriere: Eine Barriere bedeutet, dass Menschen mit einer bestimmten Behinderung eine Funktion nicht kontrolliert ausführen können, Alternativen aber vorhanden sind.
- Einschränkung: Eine Einschränkung bedeutet, dass Menschen mit einer bestimmten Behinderung Orientierungsprobleme bei der Nutzung der Software haben könnten, sich diese aber durch Schulungen lösen lassen.
- Leichte Einschränkung: Eine leichte Einschränkung bedeutet, dass Ihre Software Anforderungen prinzipiell erfüllt, die tatsächliche Anwendung jedoch geringfügig von der erwartbaren Programmbedienung abweicht.
BITV 2.0-konforme Softwareanwendungen erkennen Sie zum Beispiel an Zertifizierungen oder Siegeln. Diese erhalten Unternehmen nur, wenn die Anwendungen keine schwerwiegenden Mängel aufweisen. Schwerwiegende Mängel wären in diesem Beispiel jegliche identifizierten Blockaden und Barrieren. Eine Zertifizierung bestätigt somit, dass es sich um eine barrierefreie Software handelt.
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Jetzt lesenIndividuelle Lösungen für die Barrierefreiheit schaffen
Ab 2025 betrifft die BITV 2.0 noch mehr Unternehmen. Weite Teile der Privatwirtschaft stehen neben öffentlichen Stellen vor der Herausforderung, Softwareinhalte barrierefrei aufzubauen. Als Softwareunternehmen betrifft auch uns die BITV 2.0. Deshalb haben wir den BITV-Test umgesetzt.
Wichtig: Das Ergebnis ist nicht zwingend für jeden Doxis-Nutzer repräsentativ. Dadurch, dass Sie unsere Software individuell gestalten können, kann es zu Abweichungen kommen. Gemeinsam erarbeiten wir für Sie eine Lösung, mit der Sie heute und in Zukunft mit Doxis BITV 2.0-konform arbeiten. Stellen Sie uns dafür lediglich eine Demoanfrage oder melden Sie sich bei Ihrem SER-Ansprechpartner. Im Anschluss stellen wir gerne das Ergebnis bereit und besprechen mit Ihnen das weitere Vorgehen, um eine uneingeschränkte, barrierefreie Nutzung zu gewährleisten.
Häufige Fragen zur BITV 2.0
* Aufgrund der besseren Lesbarkeit wird im Text das generische Maskulinum verwendet. Weibliche und anderweitige Geschlechteridentitäten werden dabei ausdrücklich mitgemeint, soweit es für die Aussage erforderlich ist.
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