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Ohne Wasserfall kann es besser laufen

Dr. Gregor Joeris

Die moderne Arbeitswelt kennt beides: immer gleich strukturierte Tätigkeiten, die effizienter ablaufen, wenn sie durch Prozessmodelle gelenkt werden, und wissensbasierte Aufgaben, deren Erledigung mehr Freiheit in der Ausführung verlangt. Modernes BPM bietet Unterstützung für beide Konzepte.

Business Process Management wird traditionell als normative Steuerung von Prozessen verstanden — abgeleitet von den arbeitsteiligen Produktionsprozessen in der Industrie. Auf die Büroarbeit übertragen, lenkt normatives BPM sogenannte Production Worker bei der Ausführung stark reglementierter Arbeitsschritte. Der moderne „Knowledge Worker” hingegen ist mit variierenden Aufgaben konfrontiert, die sich nicht in ein starres Prozesskorsett zwängen lassen. Daher führt die generelle Automation von Büroarbeit — im Gegensatz zur industriellen Produktion — nicht zwangsläufig zu mehr Effizienz. Ob sich ein Prozess automatisieren lässt, muss gut überlegt und abgewägt werden. Nur da, wo sich die Abfolge von Routinearbeiten genau beschreiben lässt, funktioniert die Automation, wie beispielsweise teilweise bei der Rechnungsprüfung und -freigabe. Allerdings dort, wo bestmögliche menschliche Entscheidungen getroffen werden müssen, erweisen sich zu eng definierte Prozessmodelle als nachteilig. Hier müssen Wissensarbeiter die Oberhand behalten, um anhand ihrer Erfahrungen und Kompetenzen Beurteilungen vorzunehmen und Handlungsanweisungen zu treffen. Die Wissensarbeit obliegt dem Menschen. Die Automation ist häufig zu unflexibel und aufwendig, um die Komplexität der Realität abzubilden. Beim Beschwerdemanagement, der Schadensfallbearbeitung oder dem Bewerberauswahlverfahren sind Einzelfallentscheidungen zu treffen. Wissensarbeiter hier vollständig über Prozessmodelle zu steuern, ist nicht zweckdienlich, motivierend und ergebnisorientiert!

Deshalb muss es außerhalb der Automation noch ein weiteres Prozessmodell geben, das nicht den Prozess an sich in den Mittelpunkt stellt, sondern den Fall („Case“), für den ein Ziel erreicht werden soll. Ein Fall kann dabei der Kunde, ein Projekt, ein Auftrag oder eine Beschwerde sein.

Zur besseren Differenzierung unterscheidet das Business Process Management zwischen „normativem“ („Doing by Design“) und „adaptivem” („Design by Doing“) „BPM“. Beide Teildisziplinen des Business Process Management finden sich gleichermaßen in der Unternehmenspraxis. Das normative BPM, auch Production Workflow genannt, adressiert Prozesse, bei denen der Ablauf vorab definiert werden kann, während das adaptive BPM, auch Adaptive Case Management, Ad-hoc-Workflow oder Smart Process Applications (nach Forrester) genannt, jegliche Tätigkeiten von Wissensarbeitern unterstützt, die einen Fall bearbeiten. So ist auch die Definition des EABPM, einer Vereinigung rechtlich selbstständiger nationaler Gesellschaften zur Förderung des Business Process Management, zu verstehen: „Business Process Management ist ein systematischer Ansatz, um sowohl automatisierte als auch nicht-automatisierte Prozesse zu erfassen, zu gestalten, auszuführen, zu dokumentieren, zu messen, zu überwachen und zu steuern und damit nachhaltig die mit der Unternehmensstrategie abgestimmten Prozessziele zu erreichen. BPM umfasst die bewusste, gemeinsame und zunehmend IT-unterstützte Bestimmung, Verbesserung, Innovation und Erhaltung von End-to-End-Prozessen.“

„Doing by Design“ vs. „Design by Doing“

„Doing by design“ bezeichnet das klassische Top-Down-Prozessmanagement für strukturierte Prozesse, auch als

„Wasserfall-Modell“ bekannt. Das Grundprinzip des Wasserfall-Modells lautet: Das Prozessmodell definiert die Ausführung. Jede Ausnahme/Alternative muss im  Modell  definiert  sein  —  oder  sie  ist nicht möglich! Dieses Design-Konzept ist anwendbar für immer gleich ablaufende Prozesse wie z.B. für die Bestellabwicklung im Online-Handel oder für die Handy-Freischaltung. Meist zu aufwendig ist die Prozessmodellierung z.B. für Bewerbungsvorgänge und viele weitere typisch administrative Prozesse. Gänzlich ungeeignet ist „Doing by Design“ z.B. für die Durchführung von Projekten und für eine situative Vorgangsbearbeitung, für die sich im Vorfeld keine verbindlichen Prozesse definieren lassen.

Aber auch die Wissensarbeit der Knowledge Worker findet nicht im luftleeren Raum statt. Zwar sind Aufgaben wie die Bearbeitung eines Versicherungsfalles oder einer Kundenanfrage nicht starr reglementierbar. Aber kein Sachbearbeiter oder Kundenbetreuer erfindet für jeden Fall das Rad quasi neu. Er wird sich im  Gegenteil  fragen, ob er bereits einen ähnlichen Fall bearbeitet hat, an dem er sich orientieren und auf den er  zurückgreifen  kann. Oder er fragt einen Kollegen: „Ich hab‘ da ein ähnliches Projekt wie Du, kannst Du mir mal Deinen Projektplan geben, den würde ich gerne adaptieren.“ Diese „Copy & Paste-Methode“ nimmt ähnliche Fälle als Ausgangspunkt, um sie zu verallgemeinern und letztendlich als Best Practice abzuleiten. Dieses der Praxis abgeschaute Designprinzip wird auch „Design by Doing“ genannt.

Integrated ECM & BPM

Eine moderne BPM-Lösung sollte beide Disziplinen — „Doing by Design“ und „Design by Doing“ — in einer Architektur vereinen. Während in der Theorie von adaptivem und normativem BPM gesprochen wird, nennen wir bei SER die beiden Teildisziplinen unserer Doxis iECM-Suite praxisnah Task- und Business Process Management.

SER verfolgt damit den Ansatz des „Inte- grated ECM & BPM“ und grenzt sich dadurch von Middleware- und integrationszentrierten BPM-Systemen ab. Im Gegensatz zu den Middleware-zentrierten BPM-Systemen wird beim Integrated ECM & BPM keine zusätzliche SOA benötig, um BPM in die Anwendungslandschaft zu integrieren. Integrierte ECM & BPM-Lösungen dienen allen Unternehmensbereichen von der Unternehmensentwicklung und Organisation über die Fachabteilungen bis hin zur IT, um dokumentenbasierte Geschäftsprozesse — ad-hoc und standardisiert — selbstständig zu modellieren, zu verwalten, zu optimieren und auszuführen. Sie lassen sich innerhalb einzelner Organisationseinheiten, unternehmensweit und unternehmensübergreifend einsetzen. Wichtiges Merkmal ist eine gemeinsame Metadaten-Plattform für alle Dokumente, Akten, Vorgänge und Aufgaben.

„Standalone BPM is dead“, postulierte BPM-Veteran Tom Baeyens bereits 2010. Es ist Zeit, dass mit „Integrated ECM & BPM“ die neue Generation des Business Process Managements in die Unternehmen einzieht.

Dr. Gregor Joeris

Neben seiner Rolle als Geschäftsführer der SERgroup Holding International GmbH ist Dr. Gregor Joeris der innovative Kopf hinter den SER-Technologien [&] -Produkten. Als Geschäftsführer der SER Software Technology GmbH und Chief Technology Officer steht der an der RWTH Aachen promovierte Informatiker federführend für die Konzeption und Weiterentwicklung von Doxis.

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